Samstag, 1. März 2008

Vorstellungsgespräch die 3. oder Es geht auch jung und sportlich...

Der Herr Dr. hatte sich Telefon schon recht jung angehört, aber als er jetzt freundlich lächelnd auf mich zukam, war er nicht nur jung, sondern sah auch erfrischend normal aus für einen verdammt erfolgreichen Nachwuchswissenschaftler. Er trug Jeans, eine Fahrradfahrerjacke, war kurzgeschoren und hatte einen Dreitagebart. Aus dem Kragen baumelten die Ohrstöpsel seines MP3-Players heraus. Sofort kam mir der Gedanke, dass ich völlig overdressed und spießig aussah mit meinen Lederschuhen, dem Pullover mit schwarzem Hemdkragen. Naja, es hätte sicherlich schlimmer kommen können, beispielsweise wenn ich wieder im Sakko angetanzt wäre. Wir begrüßten uns und er stellte mich diversen Leuten aus der Delegation vor: Es waren unter anderem zwei weitere Post-Docs anwesend, von denen zumindest der eine auch erfrischend wenig nach Wissenschaftler aussah, außerdem noch der zukünftige Chef des Instituts (mein eventueller Über-Chef sozusagen), der momentan noch mit meinem potentiellen direkten Chef in einer kleineren Arbeitsgruppe forschte. Dann war da noch der bisherige Leiter des Instituts, der mich mit dem Arsch nicht anschaute, aber das machen die Mediziner-Professoren wohl so. Der Über-Chef erinnerte mich entfernt an einen alten Professor von mir, entpuppte sich allerdings im Laufe des Tages als deutlich sympathischer, obwohl ich nicht wirklich viel von ihm mitbekam.
Als erstes stand jedenfalls ein gemeinsames Mittagessen an. Die komplette Delegation setzte sich in Bewegung in Richtung Kantine, ich natürlich ohne einen Euro in der Tasche, aber da unterschied ich mich in keinster Weise von meinem potentiell zukünftigen Chef, der sich übrigens gleich mit Vornamen vorstellte und betonte, dass es bei ihnen sehr informell und locker zugeht, was das Siezen angeht. Andreas hatte also ebenfalls kein Geld dabei und macht dann allerdings mit Über-Chef klar, dass wir alle mit auf die Rechnung des ehemaligen Institutsleiter kamen. Ich weiß nicht, ob es an der für ein Mittagessen doch schon durchaus fortgeschrittenen Zeit lag, aber wirklich apettitanregend konnte man das Essen nicht bezeichnen. Eher als eklig. Und das lag nicht daran, dass es sich um Fleisch handelte, wie manche Leute jetzt sicher unterstellen werden, sondern dass sich über dem Rindergulasch schon eine bräunliche Haut gebildet hatte, die, als ich drankam, gottlob schon durchstoßen war und ich somit durch das entstandene Loch schöpfen konnte. Beim Essen entstand, anfangs gequält, später dann doch lockerer, ein oberflächlicher Dialog zwischen mir und Andreas, welcher sich durch das Einschalten der anderen beiden Post-Doc langsam zum Selbstläufer wandelte. Darüber war ich ganz froh, denn Andreas schien im Smalltalk nicht besonders enthusiastisch sein.
Nach dem Essen folgte eine Führung durch die zukünftigen Arbeitsräume des Instituts. Ich sah mir alles interessiert an, wusste aber absolut nicht, wie ich das Gespräch in Gang bringen sollte. Andreas sagte gar nichts und trottete nur gelangweilt hinterher. Für mich eine sehr unangenehme Situation. Erwartete er, dass ich Fragen stellte? Ein Gespräch begann? Ich fühlte mich unwohl, obwohl die Post-Docs sehr witzig waren und sich ständig gegenseitig verarschten. Ich hatte vom Mittagessen einen schlechten Geschmack im Mund und war saudurstig. Ich hoffte, dass die Führung bald vorbei ist. Als das endlich der Fall war, drängte Andreas darauf, endlich gehen zu können, um mit mir endlich eine persönliches Gespräch zu führen. Wir setzten uns in die Cafeteria der Klinik und er begann, mich zu meiner Diplomareit und wissenschaftlichen Erfahrung auszufragen. Erster Fauxpas: Auf die Frage, ob ich Daten aus meiner Arbeit dabei hätte, musste ich mit Nein antworten. Ich hatte zwar einen USB-Stick mit dem Vortrag zu meinem letzten Gespräch dabei, aber es fehlte ein Computer. Naja, so eng schien er das nicht zu sehen und begann, mir das Projekt zu erläutern. Im Anschluss folgten seelische Vorbereitungen auf stressige, aber durchaus erfolgreiche Zeiten an einem spannenden Thema. Zunächst war ich nicht in der Lage, viel zu sagen, aber mein gegenüber erweckte nicht den Eindruck, als erwarte er das. Irgendwann begann ich dann, mir Notizen zu machen und plötzlich ergaben sich Fragen, die ich aufgeweckt stellte. Ich fragte nach Papern, notierte mir Literaturzitate, kurz gesagt, es begann, von selbst zu laufen. Ich wusste immer mehr: Das will ich machen. Genau das. Es stimmte einfach alles: Das Thema, die Methoden, die Gruppe, die Kohle, ... Nach einer guten Stunde meinte er: Ich muss jetzt mal eine rauchen. Wir gingen nach draußen und unterhielten uns noch ein wenig über persönliche Dinge. Mein Eindruck: es lief sehr gut. Als das Gespräch sich dem Ende zuneigte, versuchte ich mit dem Satz zu schließen: Ich würde mich wirklich freuen, wenn das klappt. Er: "Ja, also Du bist mir wirklich sympathisch geworden..." und ich bin mir sicher, dass er das ehrlich meinte. Er bereitet mich darauf vor, dass Über-Chef in der nächsten Zeit anrufen werde, um mir ein paar Fragen zu stellen. Zeitlich reichte es ihm an diesem Tag leider nicht, das sofort zu tun. Zum Schluss fuhr ich ihn noch zum Bahnhof, von wo aus er noch eine Reise von fast 600 km vor sich hatte und wir verabschiedeten uns, mindestens einer von beiden (ich) voller guter Hoffnung.

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