Freitag, 18. Januar 2008

Das Gespräch

Ich entschied mich, den Zug zu nehmen, denn das Institut lag in fast 600 km Entfernung und bei der Bahn war ein Sonderangebot für 50 € abzugreifen. Obwohl ich überzeugter Autofahrer bin, ist Zugfahren hin und wieder eine sehr nette Abechslung. Auf der Fahrt wollte ich noch ein paar Paper meines potentiellen zukünftigen Chefs durcharbeiten, was beim Autofahren auch nicht unbedingt empfehlenswert wäre.
Ausnahmsweise war die Bahn zwar nicht pünktlich, aber auch nicht derart zu spät, dass sämtliche Anschlusszüge schon über alle Berge waren. Man konnte also fast sagen, die Fahrt lief problemlos. Zwischen Darmstadt und Bonn im IC versuchte ein Besoffener und/oder geistig unübersehbar verwirrter, seinem Nebensitzer eine Handvoll Euro-Münzen aufzuquatschen. Warum genau, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Der Nebensitzer, der den großzügigen Spender wohl vorher nie gesehen hatte, lehnte vehement ab, was den Gestörten offensichtlich dazu animierte, immer näher an den armen Mann heranzurücken und ihn mit der potentiellen Alkoholfahne einzunebeln. Irgendwann wurde es letzterem zu blöd und er setzte sich weg. Der Gestörte schlief dann ein und musste mehrmals von der Bordrestaurant-Tante (warum eigentlich von der?) geweckt werden, damit er seinen Zielbahnhof nicht verpennte.
Am Institut angekommen, natürlich viel zu früh, sah ich mich erstmal um und brachte in Erfahrung, wo der besagte Professor sein Büro hatte. Da ich nicht vor dem vereinbarten Zeitpunkt hereinplatzen wollte, drückte ich mich auf dem Flur herum und las ein wenig in irgendwelchen Broschüren und Wandaushängen. Dann lief ein riesiger Mann vorbei, sah mich im Vorbeigehen, bremste ab und kam mit ausgestreckter Hand und freundlichem Lächeln auf mich zu: der Herr Professor. Hat mich wohl auf Anhieb von meinem Bewerbungsfoto erkannt. Obwohl er wohl gerade auf dem Weg zu irgendeiner Erledigung war, bat er mich gleich in sein Büro und bat mich, abzulegen. Ich sah mich um...: auf einem Tischchen lagen Handtuch, nasse Badehose und Schwimmbrille. Sportlich. Mehrere teure Mikroskope standen herum, außerdem diverse Räucherstäbchen und Buddha-Figuren. Er bat mich, gegenüber seines Schreibtisches Platz zu nehmen. Zwischen uns beiden war eine Schreibtischlampe sehr ungünstig angebracht und hinderte mich daran, meine Hände lässig auf den Tisch zu legen. Es begann ein lockeres Gespräch, in dem hauptsächlich er mir erklärte, um was es gehen sollte und kaum wissen wollte, was ich eigentlich so kann. Nun gut, sollte mir recht sein. Wir redeten über die Vorteile eines Bio- und die Nachteile eines Medizin-Studiums. Er meinte, er wisse nicht, ob er im nächsten Leben doch lieber Bio studieren würde, worauf ich in einem spontanen Anfall von Atheismus meinte: "Die Frage stellt sich wohl eh nicht". Er war fast unmerklich irritiert und beendete das Thema freundlich mit: "Wir werden sehen..." In diesem Augenblick lächelte mich der Buddha von links fies an... (Scheiße!)
Ein kleiner Rundgang durch die Labors. Alles nagelneu! Leider keiner der Mitarbeiter da, den man subtil ausfragen könnte. Das Gespräch ging weiter und wir redeten über mögliche Auslandsaufenthalte während der Doktorarbeit ("Klar, ich schicke immer mal wieder Leute nach Süpofk..."), Konferenzen in noblen Hotels (Ich aus Spaß: "Dürfen Doktoranden da auch mit" er: "Na klar, das ist so üblich, dass die da über ihre Arbeit berichten"), Lehrverpflichtung bei den Biologen ("Sie werden ja vom Prof. YPojadjcoi formal betreut, da müssen Sie dann halt im Gegenzug Praktika betreuen oder mal ne Vorlesung halten" Geil!). Nach einer knappen Stunde war das Gespräch vorüber. Und ich war nur positiv beeindruckt!
Auf dem Weg nach draußen traf ich einen Mitarbeiter einer anderen Gruppe, der mich fragte, ob er mir helfen könne. Ich deutet subtil daraufhin, wie es denn mit Insider-Infos aus meiner eventuell zukünftigen Gruppe aussieht. Daraufhin meinte er, "kommse mal mit" und leitete mich hinter die nächste Ecke. Dort eröffnete er mir dann im halben Flüsterton, dass es in besagter Gruppe mit der Betreuung von Doktoranden gerade eher mau aussieht, da momentan nur diagnostisch gearbeitet wird und die Forschung in den nächsten Jahren erst wieder anlaufen soll. Hm. Es gäbe keinen Post-Doc, der für die direkte Betreuung von Doktoranden normalerweise erster Ansprechpartner ist. Da wurde es mir langsam anders. Das hatte der Professor natürlich nicht besonders ausführlich erwähnt, is klar. Und genau das machte mir Sorgen.
Aber erstmal war Weihnachten. Jetzt musste ich nur noch auf meine beste Freundin warten, die mehr oder weniger zufällig am gleichen Tag ebenfalls zurück in unsere kleine Stadt fuhr und dabei ebenfalls mehr oder weniger direkt an meinem eventuell zukünftigen Arbeitsort vorbeikam und mich mitnahm. Wie praktisch auch! Schonmal wieder die Zugfahrt gespart. Wahrscheinlich zwar nicht in böser Absicht, aber dennoch vergessen hatte der Professor, dass Kandidaten für eine Stelle die Anfahrt zu einem Vorstellungsgespräch bezahlt zu bekommen haben. Nachdem ich mich über eine Stunde in der Eiseskälte auf dem Klinikgelände herumgedrückt hatte, kam endlich der vertraute blaue Twingo. ich freute mich auf zuhaus...

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