Mittwoch, 14. November 2007

Stöcke im Arsch

Neulich wurde ich von einem meiner betreuten Studenten gefragt, ob ich auch einen Stock im Arsch haben werden, wenn ich mal Doktorand bin. Antwort: Ich hoffe, nicht.

Allgemein scheine ich ein sehr kulanter Betreuer zu sein. Ich stelle keine Fragen, stresse nicht unnötig rum, halte keine Endlosmonologe und halte mich nicht für etwas Besseres. Zumindest lasse ich das die Studenten nicht spüren. Dafür sind die Doktoranden zuständig, die die kleinen "Chefs" des Praktikums waren. Ich betrachte die Studenten als Kollegen, denen ich ein wenig auf die Sprünge helfen muss. Wäre auch reichlich dämlich, plötzlich den Chef raushängen zu lassen, denn einen Großteil kenne ich schon lange und pflege ein freundschaftliches Verhältnis zu ihnen. Deshalb: Kein Stress, Fragen geduldig und freundlich beantworten.

Wenn man das dann allerdings ausnützt, werde ich ungemütlich. So geschehen heute. Nach der Abeschlussparty gestern abend waren heute morgen noch Nachbesprechungen zu den einzelnen Versuchen, die die Studenten zu halten hatten. Im Vortragsstil, mit Power Point etc., um die Ergebnisse zu präsentieren und um das Reden vor Publikum zu üben. Einige Jungs aus dem von mir betreuten Labor glaubten allerdings, die Nacht durchsaufen zu müssen und vor allem einer fiel dann besonders unangenehm auf, als er versuchte, durch unangebrachtes Klopfen auf den Tisch und tonlose Anfeuerungen seine Kumpels zu motivieren, die an der Tafel gerade ein Machwerk von einem Vortrag zu halten versuchten. Zitat auf dem Power Point Slide: "cAMP ist das wichtigste Protein bei der Synthese des CAP-Proteins" (Später, auf meinen Anschiss hin, versuchte er sich auf folgende Weise zu rechtfertigen: "Ich hab mir die Folien vorher nicht nochmal angeschaut" (!!))
Als dann vor versammelter Menge (incl. zweier Professoren) mit lautem Ploppen in die Stille hinein eine Weinflasche geköpft wurde, platzte mir der Kragen. Auf die unfreundliche, aber bestimmte Bitte hin, sich gefälligst zusammenzureißen, meinte er mit weinerlicher Stimme: "Ich hab doch gar nichts gemacht. Ich wollte nur dem Lothar applaudieren, weil er nen super Vortrag gehalten hat"
Sowas geht gar nicht. Ich musste einmal eine ganze Weile zwei Studenten betreuen, die mir bei meinem Projekt während der Diplomarbeit helfen sollten. Es wurde dann aber zur Gewohnheit, dass die Nächte gefeiert und gesoffen wurde und die Aufnahmefähigkeit und Konzentration auf nicht tolerierbare Minima gesunken sind. Erläuterungen theoretischer Hintergründe dessen, was sie da gerade machten, brach ich recht schnell ab, nachdem ich in leere Gesichter blicken musste, teilweise kaum in der Lage, die Augen offenzuhalten. Von pünktlichem Eintreffen im Labor wollen wir gar nicht reden. Wer feiert, hat auch zu arbeiten. Und das sage ich nicht, weil ich ein Streber ohne Leben und Freunde bin, sondern weil ich dazu durchaus in der Lage bin. In dieser Zeit waren wir auch einmal gemeinsam auf einer Party und ich war mindestens so voll wie die beiden Herrschaften. Im Gegensatz zu ihnen war ich aber am nächsten Morgen um neun Uhr fit und zunächst gut gelaunt, was sich aber sehr schnell änderte, als sich herausstellte, dass sie zu blöd waren eine Tabelle für 4 unterschiedliche Bakterienkulturen zu erstellen, diese in 3 Verdünnungsstufen auszuzählen und die Werte einzutragen. Am Schluss kam dann die Beschwerde, ich sei dermaßen miesgelaunt gewesen, dass ein normales Arbeiten nicht möglich wäre. Ein andermal musste ich laut werden, als die Herren vor dem Zellen aussähen (was erfahrungsgemäß immer sehr lang dauerte) wieder einmal für mehr als 10 min beim Rauchen verschwunden waren. Das ließ mich derartig aus der Haut fahren, dass ich nach mehrmaliger Aufforderung aus dem Fenster brüllte, sie sollen augenblicklich ihre Ärsche hochbewegen und Zellen auszählen. Das wirkte: innerhalb kürzester Zeit standen sie im Labor und waren so verstört, dass sie beim Auszählen der Humanzellen gleich mal zwei verschiedene Transfektionsansätze zusammenkippten und damit das komplette Experiment ruinierten. Beliebte Ausrede übrigens, wenn sich der Blick bei meinen Erklärungen mal wieder leerte und die Gedanken frei wurden und dahinschwebten: "Ich kann mich hier gar nicht konzentrieren, hier laufen so viele geile Ärsche rum" Aha.

Beide werden übrigens nächstes Jahr ihre Diplomarbeit dort anfangen. Zumindest einer. Der andere muss noch Statistik mündlich machen. Wenn er das nicht schafft isser weg vom Fenster. Nach 11 Semestern.

Aber zurück zum Thema. Möglicherweise ist im Laufe der letzten Zeilen ein anderer Eindruck entstanden, aber ich habe keinen Stock im Arsch. Ich bin auch kein kleiner Feldwebel, der weder Freunde hat, noch ein Leben führt und Frustration und Sadismus an untergebenen Studenten auslebt. Nur gewisse Grenzen sollten eingehalten werden und ich will bei solchen Intensivpraktika wie oben, merken, dass die Leute Interesse zeigen und ihr Bestes geben. Ansonsten kreist der Hammer.

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